Sonntag, 31. Januar 2010

Klausurlektüre

Was bin ich doch heute fleißig ;)

Ivo Andric: Der verdammte Hof
41NXZ8176QL-_SL500_AA240_
Produktbeschreibungen
Neue Zürcher Zeitung
Kerker und Komposition

A. Bn. Es ist gewiss nicht das stärkste Stück des bosnischen Literaturnobelpreisträgers Ivo Andric , das der Suhrkamp-Verlag mit der Gefängnis-Erzählung «Der verdammte Hof» aus dem Jahr 1954 in seiner Edition wieder auflegt. Zwar ist alles da, was den Reiz von Andrics Schreiben ausmacht: der plastisch gestaltete und kraftvoll kolorierte multikulturelle historische Stoff, interessante Figuren, eine pointierte Psychologie sowie das Spiel mit Erzählebenen – und dennoch will der Text nie recht in Fahrt kommen. Es scheint, als habe sich Andric nicht entscheiden können, ob er nun einen Roman oder eine Novelle verfassen wollte. Die Dämonie des türkischen Gefängnisdirektors Karadjos wird beschworen, als müsste sie einen ganzen literarischen Kosmos tragen – doch in der Folge szenisch kaum umgesetzt. Der bosnische Franziskanermönch Petar, den es in die Fänge der osmanischen Polizei und damit in den berüchtigten «Verdammten Hof» am Bosporus verschlägt, bleibt ein Funktionär des Autors und inhaltlich eine Leerstelle – seine Erzählungen werden nach seinem Tod im Kloster weiter erzählt. Als Figur fasziniert Djamil, ein melancholischer junger Intellektueller, der sich zur paranoiden Angst der Mächtigen bis in den Wahn hinein mit dem tragischen Sultan Dschem identifiziert, der zur Zeit der Kreuzzüge zum politischen Spielball zwischen Orient und Okzident wurde – doch gibt sein Verdämmern wenig Novellistisches her. Voll und ganz überzeugt denn einzig Andrics Schilderung der Lagerwelt mit ihren hündischen Gesetzen: Durch diese Schule könnte Aleksandar Tišma gegangen sein.

Quelle: Amazon.de

Äh nein, also da muss ich mir anmaßen ganz entschieden zu widersprechen. Was ich da gerade zu Ende gelesen habe ist ein wunderbares kleies Kunsterwerk unglaublichen erzählerischen Talents, ein spiel mit dem Leser und dem Genre Erzählung selbst.
Wer erzählt hier eigentlich?
Rahmenerzählung:
Ein allwissender Erzähler erzählt uns von einem jungen Mönch der nach Bruder Petars Beerdigung eine Inventur von dessen Habseligkeiten durchführt und sich währenddessen an die Erzählungen des Bruders erinnert, denen er so gerne gelauscht hat.
Binnenerzählung eins bzw. Rahmenerzählung zwei:
Bruder Petar ist unschuldig im berühmten Istanbuler Gefängnis, dem verdammten Hof gelandet und erzählt nun von seinen Erlebnissen dort
Binnenerzählung zwei a-x:
Diverse Begegnungen mit diversen Insassen führen zu deren diversen Lebensgeschichten. ABER diese Insassen wiederum erzählen ihrerseits Bruder Petar andere Geschichten.
Binnenerzählung drei a-x:
Bsp: Chami erzählt bruder petar die lebensgeschichte Djamils, des Gefangenen mit dem sich petar angefreundet hat und der nun verschwunden ist.
Binnenerzählung vier a-x:
Bsp: Djamil ht Bruder Petar die Geschichte des Sultans Dschem berichtet...

Und so geht es weiter und weiter und weiter und langsam befreien wir uns aus diesem Knäul ineinander verwobener Erzählungen und finden zurück zu unserem jungen Mönch der noch immer mit der Inventur und seinen Erinnerungen beschäftigt ist...

Ohje, das gibt noch ein gutes Stück arbeit jeden einzelnen Erzählstrang herauszuarbeiten und zu einem system zu verknüpfen das ich dann in der klausur verwenden kann...
Noch schwerer wird es allerdings nicht balkanesische Erzählungen zu finden mit denen ich diese Erzählung dann in der Klusur vergleichen kann diese mussn ich dann auch noch lesen und entwirren und ach ja etwas sekundärliteratur sollte ich mir auch zu gemüte führen...
wenn jemand grad zufällig eine passende nicht balkanesische erzählung zur hand hat, nur her damit!!!

(im moment habe ich mir rafik schami, gabrrel garcia marquez und noch zahlreiche andere rausgesucht und dem dozenten als vorschlagsliste geschickt... wenn einer in frage kommt dann doch rafik schami, DER geschichtenerzähler schlechthin und biographisch ebenfalls interessant *g* und und und ach es gibt so viele *seuftz*)

Und extra für meine Hexenmitreferentin hab ich die ewig von W...heimer zitierte Stelle im Nachwort der Erzählung gefunden:

Wer in Sarajewo die Nacht durchwacht, kann die Stimmen der Nacht von Sarajewo hören. Schwer und sicher schlägt die Uhr an der katholischen Kathedrale: zwei nach Mitternacht. Es vergeht, mehr als eine Minute (ich habe genau 75 Sekunden gezählt), und erst dann meldet sich, etwas schwächer, aber mit einem durchdringenden Laut, die Stimme der orthodoxen Kirche, die nun auch ihre zwei Stunden schlägt. Etwas später schlägt mit einer heiseren und fernen Stimme die Uhr am Turm der Beg-Moschee, sie schlägt elf Uhr, elf gespenstische türkische Stunden, die nach einer seltsamen Zeitrechnung ferner, fremder Gegenden dieser Welt festgelegt worden sind. Die Juden haben keine Uhr, die schlägt, und Gott allein weiß, wie spät es bei ihnen ist, wie spät nach der Zeitrechnung der Sepharden und nach derjenigen der Aschkenasen. So lebt auch noch nachts, wenn alle schlafen, der Unterschied fort, im Zählen der verlorenen Stunden dieser späten Zeit. [...]
Andric, Ivo: Der verdammte Hof; Frankfurt am Main; 2002; S.157

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Geburtstagsessen für...
Karamellisiertes Kaninchen/Hase/Hühnchen auf Wurzelgemüse -...
FerminaDaza - 27. Apr, 16:08
Umzug
So ihr Lieben, da hier bei mir in Kürze einige Veränderungen...
FerminaDaza - 14. Jan, 10:52
Rotbarsch in Orangensauce
So und auch in dieser Kategorie wird's Zeit, dass ich...
FerminaDaza - 7. Nov, 20:53
Keine Ahnung von was...
Keine Ahnung von was du redest – klingt alles sehr...
wintermute242 - 18. Sep, 04:48
Angelus Novus
So, da bin ich seit langer Zeit mal wieder. Die Magisterarbeit...
FerminaDaza - 10. Sep, 19:06

Suche

 

Status

Online seit 5667 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 27. Apr, 16:08

Credits


"Nicht gut" bis "Richtig scheiße"
*jubel jubel freu*
Allgemein
Bücher
Einfach so irgendwie gut
Fun
Konsum
Küchenchaos
Landleben
Listen
Man grübelt
Movies
Musik
Oslo
Politik oder so ähnlich
Skurrilitäten
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren