Freitag, 10. September 2010

Schweigsame Amis für zwischendurch

Graham Greene: Der stille Amerikaner

Ein zynischer, alternder Kriegsberichterstatter aus dem alten Europa und ein idealistischer, engagierter junger Amerikaner - größer könnte der Gegensatz zwischen den beiden Männern nicht sein, die sich eines Morgens im Continental begegnen. Vor der Kulisse eines Indochina, in dem die Franzosen vergeblich versuchen, ihre Vormachtstellung gegen den immer stärker werdenden Vietkong zu verteidigen, kommen sich die beiden Männer trotz ihrer unterschiedlichen politischen Einstellungen näher und werden so etwas wie Freunde.

So vorbehaltslos Pyle sich für eine dritte Macht, die - mit Unterstützung der USA, versteht sich - die Lösung für die Probleme Indochinas darstellen würde, einsetzte, so war er auch aus ganzem Herzen überzeugt, dass er der bessere Mann für Phuong, Fowlers Geliebte, sein würde. Was hatte dieser schon zu bieten? Ein kleines Gehalt als Auslandskorrespondent, die stetige Unsicherheit, ob er nicht bald nach England zurückbeordert werden würde, und vor allem: eine Ehefrau, die sich niemals von ihm scheiden lassen würde.

Mit der Selbstverständlichkeit eines Menschen, der es gewohnt ist, in Schwarz und Weiß zu trennen und Grauabstufungen zu ignorieren, war für Pyle auch klar, dass Fowler als sein Freund für diese Überlegungen Verständnis aufbringen würde. Nur fair sollte es zugehen, war Pyles Wunsch - und solange er mit offenen Karten spielte, konnte Fowler doch unmöglich etwas dagegen haben? Auch die Absurdität des Ansinnens, Fowler möge für ihn den Liebeswerber bei Phuong spielen war für Pyle nicht fassbar.

Während die beiden Männer noch um Phuong feilschen, trifft diese ihre eigene Entscheidung. "No" antwortet sie auf Pyles Heiratsantrags - und ist doch merklich angezogen von seiner höflichen, ritterlichen Art.

Später sollte Fowler es sich zum Vorwurf machen, dass er sich durch diese persönlichen Zwistigkeiten so sehr davon hatte ablenken lassen, was Pyle eigentlich wirklich in Indochina machte; was seine guten Kontakte zu General Thé zu bedeuten hatten, und was es mit den Lieferungen von Kunststoff und Pressformen auf sich hatte - doch da war es bereits zu spät, da war die Bombe bereits geplatzt, lebte Phuong schon bei Pyle, und Fowler konnte nicht länger bleiben, ohne Stellung zu beziehen...

"Der stille Amerikaner" ist ein Buch, in dem sich Zeitgeschehen und Emotionen auf komplexe Weise ergänzen. Wenn man bedenkt, dass das Buch vor dem Ausbruch des Vietnamkrieges erschienen ist, erhalten die Passagen über die Intervention der Amerikaner eine noch stärkere Bedeutung. Pyle ist dabei eine großartige Konstruktion des Autors: sowohl intelligent, mutig und vom Willen beseelt, zu helfen, als auch verblendet und auf nicht nachvollziehbare Weise von sich überzeugt.

Dass die beiden großen Erzählstränge, die Liebesgeschichte und das Zeitgeschehen, hier so geschickt ineinander verwoben sind, macht auf faszinierende Weise den Reiz dieses Buches aus. In seinem ungeschickten Werben um Phuong kann man auch das Angebot eines Landes sehen, das einem anderen anbietet, zukünftig an seiner Seite zu stehen. Dem bisherigen Partner, der Kolonialmacht, fühlt man sich durchaus verbunden, möchte auch nicht unfair agieren, aber ist doch befremdet, warum nicht sofort auf allen Seiten Einverständnis und Klarheit herrscht. Auch das Kräfteverhältnis ist in beiden Beziehungen ähnlich: Weder Frankreich noch Fowler können sich uneingeschränkt auf die Beziehung einlassen, beiden fehlen außerdem die finanziellen Mittel.

Und in beiden Fällen wird das Objekt der Begierde weitgehend außer Acht gelassen. Auch wenn Fowler glaubt, ohne Phuong nicht leben zu können, auch wenn die USA sicher sind, mit der rechten Unterstützung zur Zeit einen willfährigen Bündnispartner zu haben - sowohl die Frau als auch das Land agieren schließlich anders als erwartet.

Quelle: www.die-leselust.de

Dem ist wenig hinzuzufügen, was nicht zuviel vorwegnehmen würde. Ein wunderbarer intelligenter "Lagebericht", der neutral daherkommen will und in all seinem Zynismus mehr als Partei ergreift. Sowohl die Schilderung der politischen Situation als auch die Liebesgeschichte sind so distanziert wie sensibel geschildert und lassen dem Leser viel Raum für eigene Meinungs- und Sympathiebildung.
Lesen!
Ich bin sehr gespannt auf den Film dazu, vor allem da ich erst im nachhinein von diesem erfahren habe und mir die Figuren genau so vorgestellt habe, wie sie im Film besetzt wurden.

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